»Auerbachs Keller«

Die Szene »Auerbachs Keller« entspricht den Schwänken, wie sie auch in der Historia von D. Johann Fausten immer wieder in die eigentliche Erzählung eingefügt sind. »Auerbachs Keller« findet sich dort jedoch erst in der zweiten, 1589 erschienenen Ausgabe, die gegenüber der ersten um einige Zusatzkapitel ergänzt worden ist. (385) Die Szene ist bei Goethe zweigeteilt. Der erste Teil, der Gesang, entspricht dem Quartett der komischen Oper, (386) der zweite Teil umfaßt die Gaukelei und den Hokuspokus Mephistos.

Mephisto versucht, Faust zu unterhalten, indem er die Zecher durch Zauberei foppt. Faust jedoch ist an dieser Art von Unterhaltung überhaupt nicht interessiert. Er hat den Pakt geschlossen, damit Mephisto ihm das Leben zeigt, wie es dem Gelehrten bisher verschlossen blieb, ihn der "Ganzheit des Menschen" (387) näherbringt - die Art, wie dieser sein Unternehmen beginnt, steht dazu im krassen Widerspruch. Es wird deutlich, daß Mephisto seinen Gegenspieler hier völlig falsch einschätzt. (388) Er denkt, er könne Faust durch Zauberei, durch Taschenspielertricks und Hokuspokus zufriedenstellen. Dieser Hokuspokus ist eine ganz andere, viel profanere Art der Magie, als Faust sie versucht hat, wenngleich Mephisto damit auch weit erfolgreicher ist als Faust mit seinen eigenen magischen Versuchen.

Fausts FassrittDer Faßritt kommt bei Goethe nur indirekt, von einem der Zecher berichtet, vor. (389) Die Sage berichtet darüber in ausführlicherer Form. (390) Da das Reiten auf dem Faß ein Kennzeichen der Hexerei ist und Faust inzwischen eine negative Einstellung zur Magie hat, ist es in Goethes Vorstellung vermutlich Mephisto, der den Ritt auf dem Faß ermöglicht.

 

 

»Auerbachs Keller« im Urfaust

Im Urfaust ist es Faust selbst, der die Zauberei in Auerbachs Keller ausführt. Erich Schmidt schreibt dazu in der Einleitung zu seiner Erstausgabe des Urfaust: "Während der Faust des gereiften Goethe, angewidert von dem platten Spaß der Kneipe, einen stummen Zuschauer abgiebt, ist der Faust des jungen Goethe treu nach der populären Überlieferung der Urheber alles Weinspuks, und Mephistopheles, dem später die ganze Fopperei übertragen wird, steht untätig seitwärts." (391)

Albrecht Schöne sieht Faust "mit seinem Wein- und Traubenzauber als Magier und souveräner Herr des Geschehens dann mitten in der Szene" (392) stehen.

Fausts Einstellung zur Magie ist im Urfaust noch eine andere als in der Fassung des Faust I. Indem Goethe im Faust I ebenso wie bereits im Fragment von der Darstellung der Sage und des Urfaust abweicht, scheint er besonders hervorheben zu wollen, daß Faust einen Sinneswandel durchgemacht hat. Erich Trunz spricht im Faust-Kommentar der Hamburger Ausgabe von einer "psychologische[n] Verfeinerung" (393). Durch diese Änderung vom Urfaust hin zu Faust I wird noch einmal unterstrichen, was im vorigen Kapitel über Fausts Einstellung bezüglich der Magie gesagt worden ist.

 

Durch das Weinwunder wird darüber hinaus noch einmal deutlich, daß bei der Magie bestimmte Regeln befolgt werden müssen: "MEPHISTOPHELES/Nur hütet euch, daß ihr mir nichts vergießt!" bzw. "FAUST./[...] Dass aber kein Tropfen an die Erde fällt, sonst giebts ein Unglük!" (394) Natürlich wird der Wein vergossen und verwandelt sich zur Flamme. (395)

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